Heißes Öl kochte Philipp klein

 

 

 

Durch eine List gelang dem Grafen Philipp von Oberstein, in den frühen Morgenstunden des 28. Februar 1588 die Außenpforte des Essener Tores zu besetzen. Schon hat ein Tambour die mächtige Mauer erklommen, um siegesgewiss Victoria zu schlagen, da schrecken die schlaftrunkenen Bürger aus ihren Kissen und eilen herbei, um sich mit aller Macht dem Widersacher in den Weg zu werfen. Richter Rensing und Bürgermeister Koelen, am Arm verletzt, leiten mit Umsicht den tapferen Widerstand. Die Größe der Gefahr spornt die Dorstener an zu mutiger Entschlossenheit und so gelingt es ihnen, die bedrohte Bienenpforte durch einen Mistwagen und anderes Schanzwerk zu verrammeln. Jetzt schlägt das Stündchen der Dorstener Frauen. Der Überlieferung nach sollen sie Mistgabeln, heißes Öl und Wasser, Steine, Dachziegel, Teer und auch Bienenkörbe in die anstürmende Soldatenknäuel hinein geworfen haben.

 

Wegen der fliegenden und stechenden Waffen, zu denen die Honiglieferanten umfunktioniert wurden, verspotteten die Stadtnachbarn die Dorstener noch lange als „Fleigen“. Doch die Dorstener machten sich nichts draus. Zu den „Fleigen“ zu gehören, war schließlich eine Ehre und keine Schande. Der einzige, der die Fliege machte, war Philipp von Oberstein mit seinen Mannen; denn die konzertierte Aktion der Dorstener Damen war von durchschlagendem Erfolg.

 

Pfarrer Jakob Theodard Sartorius rühmte zehn Jahre später in einer Rede an die Männer mit glühenden Worten die Wehrhaftigkeit ihrer Frauen: „...und als Ihr schon am äußeren Tor, welches Ihr durch Euren Ausfall selbst dem Feind geöffnet hattet und dadurch ihm den Weg zum Eindringen in die Stadt geebnet hattet, damit beschäftigt wart, ihm durch Mist und andere Mittel den Weg wieder zu versperren, da sind Eure Frauen da, den fürchterlichen Ausgang vor Augen, und den ihrer Männer, ihrer Kinder, da werfen sie Steine, kochendes Wasser und Öl auf die Köpfe der dicht gedrängten Feinde. Während die Feinde eindrangen, erwuchs bei Euren verheirateten und unverheirateten Frauen ein Heldenmut in einem Ausmaß, wie er niemals angemessen gewürdigt werden kann. Mögen da die Historiker die Römerinnen, die Saguntinerinnen, die Amazonen und Frauen sonstiger Völker rühmen, deren Namen wegen ihrer heldenhaften Taten der Nachweilt überliefert sind, Eurer Frauen Mut, sofern er diese nicht übertrifft, kommt ihnen wenigsten zu vollem Recht gleich.

 

Als die Feinde die Hitze des kochenden Wassers zu spüren bekamen und die Glut des brennenden Öls nicht mehr aushalten konnten, hörten sie zunächst irritiert auf, das Tor aufzubrechen, bis sie durch überall brennendes Öl und durch auf sie niederprasselnde Steinbrocken gezwungen wurden, zurückzuweichen und Tore und Bollwerk wieder freizugeben. Jetzt war´s an den Dorstenern, „Victoria“ zu trommeln.“ (Anke Klapsing-Reich/Hartmut Butzert)

 

Literatur:

 

Edelgard Moers (Hrsg): Dorstener Geschichten. Dorsten 2000. Seite 15 ff