Der ungerechte Richter
Es war einmal in der Herrlichkeit Lembeck ein Richter, der wohnte auf Natteforth und war böse. Er hielt zum Unrecht, wenn er heimlich Geld dafür bekam. Er bestrafte die kleinen Vergehen von Bauern über alles Maß und die Schwerverbrecher ließ er ungeschoren. Den Reichen hielt er die Hand über den Kopf und die Armen ließ er schinden. In jedem Jahr brachte er einige an den Galgen, und viele mussten unschuldig im Gefängnis schmachten.
Aber einmal war schon bald das Jahr herum und er hatte noch keinen hinrichten können. Und wenn nicht in jedem Jahr wenigstens einer im Galgenstrick endete, so verlor der Richter sein Amt. Dann musste er aus seinem schönen Haus ausziehen und konnte die Bauern nicht mehr quälen. Darum überlegte er, wie er einen Menschen an den Galgen bringen könnte.
Eines Tages nun, es war schon im Dezember, der Schnee lag hoch, und es hatte gefroren, da kam ein Kiepenkerl, ein Hausierer in das Haus des Richters und wollte Strumpfgarn verkaufen. Er setzte seine Kiepe in den Hausflur und ging mit einem Arm voll ausgewählter Ware in die Wohnstube, wo er an die Hausfrau einige Bündchen verhandelte. Während dessen schlich der böse Richter hinaus und legte dem Hausierer heimlich einen Beutel mit Geld unten in die Kiepe und deckte ihn mit der Wolle vorsichtig zu. Der arglose Handelsmann merkte nichts und ging mit gehobenem Mut von dannen.
Kaum war er hundert Schritt vom Hause fort, da schickte der Richter einen Knecht nach, und der rief ihm zu: „Du hast dem Richter Geld gestohlen!“ Der Handelsmann war darüber sehr erstaunt und beteuerte hoch und heilig: „Das ist nicht wahr!“ Es half ihm aber nichts, er musste mit zum Richter. Der stand schon in der Haustür und schrie: „Du Spitzbube. Solche Frechheit ist mir noch nicht vorgekommen.“ „Herr, es ist nicht wahr. Ich will mich hängen lassen, wenn ihr euer Geld bei mir findet.“ sprach der Händler frank und frei. Und als nun darauf der Richter die Kiepe umständlich hin und her durchsuchte, fand er das Geld und hielt es dem sprachlosen Wollhändler vor das Gesicht.
Der Kiepenkerl schwörte, dass er unschuldig sei: „Ich habe es nicht getan. Glaubt es mir. Ich weiß nicht, wie das Geld in die Wolle kam. Es muss mir ein Feind hinein gelegt haben.“ „Du unverschämter Kerl.“ brüllte der Richter, „Du Halunke, lüge nicht, du bist ein waschechter Dieb. Du bist ein gemeiner Betrüger. Du bist ein ganz verwegener Einbrecher, ein gefährlicher Räuber. Und du willst noch leugnen? Wo ich selbst die Tat entdeckt habe. Ich werde dir deine langen Finger kürzer machen. Ich werde dir Ehrlichkeit und Wahrheit beibringen. Du Lump. Du Satan.“ Und dabei trat er voll Wut gegen die alte Kiepe, dass das Garn weit im Schnee umher flog.
„Erbarmen, Herr!“ flehte der auf die Knie gesunkene Hausierer. „Ich habe Frau und sechs Kinder.“ „Halt´s Maul, elender Verbrecher. Am Galgen sollst du sie wieder sehen.“ Als nach einigen Tagen dem unschuldigen Handelsmann der Strick um den Hals gelegt wurde, kam als letztes Wort ein entsetzlicher Fluch über seine Lippen. Der Richter hörte ihn und wurde auf einmal kreidebleich. Der Wagen der den unschuldig Gehängten hinaus gefahren hatte, brachte den Bösewicht als Leiche nach Hause.
Als die Menschen den Richter zum Friedhof fahren wollten, zogen die Pferde den Wagen nicht. Was sie auch anstellten, die Pferde blieben stehen. Die Menschen holten schließlich einen frommen Pater. Der betete lange und segnete immer wieder, bis sich endlich die Pferde mit der schweren Last vorwärts bewegten. Vor dem Friedhof blieben die Tiere wieder stehen und konnten nicht weiter. Der Pater musste zum zweiten Male beten und segnen. Erst dann konnten die Pferde die überaus schwere Last unter großer Anstrengung an den Grabrand zerren. Alle Menschen waren erleichtert, dass der ungerechte Richter nun nicht mehr unter ihnen weilte. (Hugo Hölker)
Literatur:
Edelgard Moers (Hrsg): Dorstener Geschichten. Dorsten 2000. Seite 53 ff
Liste der Preisträger:
Gruppe der 17-20jährigen
1.Preis Michel Lee Flamme des Lebens
2.Preis Pauline Bartling Erbarmungslos
3. Preis Anja Greuel Hinter dem Lächeln
4.Preis Nicole Herner Unvorstellbar
4.Preis Philipp Hallbauer Poetry Slum
4.Preis Sophia Benning Zwanzig Dinge…
Gruppe der 13-16 Jährigen
1.Preis Anna Plümpe Loslassen
1.Preis Jette Tewes Sinn
2.Preis Edda Emilia Wasserbauer Berechenbar unberechenbar
2. Preis Isabel Paasch Maybe tomorrow
3.Preis A. Michelle Guski Stillstand
3.Preis Franca Beckmann Zufriedenheit
Gruppe der 8-12 Jährigen
1.Preis Lena Marie Micheel Grüne Zauberwelt
1.Preis David Minor Mein geheimnisvoller Ball
2.Preis Linda Bernsmann Die Kinder
3.Preis Sophie Minor Meine Verabschiedung
3.Preis Maximilian Hoppe Der Sommer
Sonderpreis
25 Schüler und Schülerinnen der Klasse 6a der Realschule
St. Ursula Dorsten
Schüler der 5. Klasse der Europa Schule Martin Luther in Herten
Sondergruppe Politisches Gedicht
1.Preis Daniel Gruber Die Würde
2.Preis Leandra Kuchenbäcker Unserer schönen Demokratie
3.Preis Max Venghaus Grau
4.Preis Sabeth Maria Dugdale 10 Sekunden der Welt
Sonderpreis englisches Gedicht
1.Preis Junis Bauer In the forest