Die tapferen Frauen von Dorsten

 

 

 

Eine Sage ist eine Sage ist eine ..... und wer sie erzählt, will etwas damit sagen, und jede Zeit setzt eigene Akzente. Es bleibt der historische Kern, in diesem Fall das Geschehen um die Dorstener Frauen, die 1590 im Spanisch-Niederländischen Krieg ihre von Johannes Philipp von Oberstein belagerte Stadt retten. Dorsten war im ausgehenden 16. Jahrhundert eine wehrhafte Stadt mit Türmen, Toren und einer starken Mauer drum herum, und oft das Ziel verschiedener Eroberer, die die Stadt aus strategischen Gründen oder auch nur, um Verpflegung und Unterkunft für sich und die Söldner zu bekommen, einnehmen wollten.

 

Eine Version der Sage erzählt, dass die Männer gerade nicht in der Stadt weilten, als der lange angekündigte und gefürchtete Angriff losbrach, sodass die Frauen sich allein verteidigen mussten. Seltsam genug.

 

Eine zweite Version berichtet, dass die Frauen während des Kampfes voller Angst in der Kirche hockten und um Rettung flehten, bis sie begriffen, dass sie mit Beten allein nichts ausrichten würden. Als das äußere Tor schon gefallen und der Bürgermeister Josten schwer verletzt war, kam die Stunde der Frauen. Angela, die Frau des Bürgermeisters war der rettende Engel, der alle anspornte und Anweisungen gab, Öl und Pech zu erhitzen und auf die Feinde regnen zu lassen. Die Frauen damals wussten nur zu gut, was auf sie zukam, wenn die Eroberer die Mauern der Stadt durchbrechen konnten.

 

Darum wäre eine dritte Version dieser Geschichte aus heutiger Sicht denkbar, plausibel und beispielhaft. Die umsichtigen Bürger der Stadt hatten für den Verteidigungsfall einen Plan erarbeitet, wobei sie keineswegs auf den Rat der Frauen verzichteten. Gemeinsam legten sie bis in alle Einzelheiten fest, was jede und jeder wann wie zu tun hatte. Die Männer hatten die Mauern und Tore mit ihren Waffen zu beschützen. Die Frauen halfen, Nachschub und Stärkung herbeizuschaffen. Für alle Fälle aber standen große Kübel mit Öl und Pech auf den Herdfeuern bereit. Hatte es der Feind nämlich erst einmal geschafft, durch den Graben an den Fuß Stadtmauer zu gelangen, hing sehr viel von der Geschicklichkeit und Ausdauer der Frauen ab, dieses letzte Mittel wirksam werden zu lassen. Dass sie dabei den Männern auch Mut zusprachen und sie mit ihrem eigenen Durchhaltewillen anspornten, ihr Letztes zu geben, versteht sich von selbst. So verdankte die Stadt es wirklich auch den Frauen, dass der Feind schließlich abziehen musste.

 

Solch tapfere Frauen gab es natürlich nicht nur in Dorsten. Den Dorstener Männern ist es jedoch anzurechnen, dass sie die Leistungen ihrer Frauen öffentlich machten und würdigten, statt sie, wie meistens geschehen, im Nebel der Geschichte versinken zu lassen. In diesem Sinne könnte die Erzählung dann auch den Titel tragen „Die wahrheitsliebenden Männer von Dorsten“. (Gea Runte)

 

Literatur:

 

Edelgard Moers (Hrsg): Dorstener Geschichten. Dorsten 2000. Seite 18 ff