Die Zwerge von Wulfen
In den Hügeln bei Wulfen, nahe der Napoleonsbuche am Napoleonsweg, dort, wo
die Heerscharen des alten Napoleons bei ihren Eroberungsfeldzügen hergezogen
sind, lebten in alten Zeiten zahlreiche Zwerge in kleinen Höhlen unter der Erde.
Sie glauben das nicht? Nun, ich würde dem auch keinen Glauben schenken, wenn
es mir nicht mein Großvater erzählt hätte. Und der wiederum hat es von seinem
Großonkel Jochen erfahren, der eine ehrliche Haut gewesen war und niemals gelogen
hatte. Er wohnte in der Nähe der Napoleonsbuche auf einem Bauernhof,
und da soll ihm eines Tages wahrhaftig und leibhaftig einer dieser Zwerge über
den Weg gelaufen sein. Großonkel Jochen war gerade dabei, sein Roggenfeld zu
inspizieren.
„Das Korn ist schon reif“, stellte er fest und nahm sich vor, in einer Woche mit
dem Mähen zu beginnen. „Lieber Bauer“, bat der Zwerg, „schenkst du mir wohl
eine volle Roggenähre?“ „Warum nicht?“ fragte sich mein Onkel Jochen, schnitt
eine der reifen Ähren ab und überreichte sie dem kleinen Gesellen. Stöhnend
unter der schweren Last keuchte der Zwerg davon. Seitdem kam er jeden Tag
wieder und holte seine Ähre ab. Das Korn auf den Äckern und das Vieh im Stall
gedieh prächtig in dieser Zeit. Der Bauer ließ extra einen Streifen Korn für seinen
kleinen Freund stehen, der sich jeden Tag zur selben Zeit in der Abenddämmerung
einfand.
Eines Tages aber lag der Bauer mit Fieber im Bett und fühlte sich zu schwach,
aufzustehen. Da schickte er den Knecht hinaus, die Ähre zu schneiden. Wieder
kam der Zwerg, nahm das Geschenk auf den Rücken und eilte stöhnend und ächzend
davon. Da musste der Knecht lauthals lachen. Vor Schreck ließ das kleine
Männchen die Last fallen, floh und kam nicht wieder. Das Vieh magerte zusehends
ab und auch das Korn stand nicht mehr so stramm auf den Halmen. Es
wurde erst anders, als der Großonkel wieder selbst die Ähren abschnitt. Da kam
der Zwerg wieder.
Auch bei dem Nachbarn des Onkels, dem Bauern Böllmann, erschien der Zwerg
eines Tages und brachte seiner Tochter ein Bündel Flachs. „Gib mir jeden Tag
drei gesponnene Fäden Flachs für mein Gewand, dann sollst du dein Leben lang
genug Flachs haben. Aber spinne den Rocken nie ganz ab.“ Das Mädchen tat, was
der Zwerg gesagt hatte und spann kostbares Leinen, und immer war der Rocken
wieder voll. Einmal jedoch plagte das Mädchen die Neugier. „Heute werde ich den
Rocken bis zum Ende aufspinnen, mal sehen, was dann geschieht“, sagte es zu
sich und spann voller Übermut den Flachs ab bis zum letzten Faden. An diesem
Abend aber hörte sie nur ein leises Weinen und die klagende Stimme des
Zwergs: „O weh, nun müssen meine Kinder frieren.“ Von nun an blieb der Rocken
leer und der Zwerg ward nie mehr gesehen. Später, als die Bauern begannen, ihre
Felder mit Traktoren zu bearbeiten und mit Mähdreschern zu pflügen, da soll
auch der letzte Zwerg aus Wulfen verschwunden sein. Kein Bauer konnte nun
mehr auf die Zauberkraft der kleinen fleißigen Gesellen bauen. (Brigitte Wiers)
Literatur:
Edelgard Moers (Hrsg): Dorstener Geschichten. Dorsten 2000. Seite 43 ff
Liste der Preisträger:
Gruppe der 17-20jährigen
1.Preis Michel Lee Flamme des Lebens
2.Preis Pauline Bartling Erbarmungslos
3. Preis Anja Greuel Hinter dem Lächeln
4.Preis Nicole Herner Unvorstellbar
4.Preis Philipp Hallbauer Poetry Slum
4.Preis Sophia Benning Zwanzig Dinge…
Gruppe der 13-16 Jährigen
1.Preis Anna Plümpe Loslassen
1.Preis Jette Tewes Sinn
2.Preis Edda Emilia Wasserbauer Berechenbar unberechenbar
2. Preis Isabel Paasch Maybe tomorrow
3.Preis A. Michelle Guski Stillstand
3.Preis Franca Beckmann Zufriedenheit
Gruppe der 8-12 Jährigen
1.Preis Lena Marie Micheel Grüne Zauberwelt
1.Preis David Minor Mein geheimnisvoller Ball
2.Preis Linda Bernsmann Die Kinder
3.Preis Sophie Minor Meine Verabschiedung
3.Preis Maximilian Hoppe Der Sommer
Sonderpreis
25 Schüler und Schülerinnen der Klasse 6a der Realschule
St. Ursula Dorsten
Schüler der 5. Klasse der Europa Schule Martin Luther in Herten
Sondergruppe Politisches Gedicht
1.Preis Daniel Gruber Die Würde
2.Preis Leandra Kuchenbäcker Unserer schönen Demokratie
3.Preis Max Venghaus Grau
4.Preis Sabeth Maria Dugdale 10 Sekunden der Welt
Sonderpreis englisches Gedicht
1.Preis Junis Bauer In the forest