Der Schatzgräber vom Hardtberg
„He, du!“
„Was denn, meinst du mich?“
„Ja, dich mein ich! Wen denn sonst? Oder siehst du noch jemanden hier an der Theke stehen?“
„Nein, eigentlich sehe ich hier keinen außer uns beiden.“
„Na siehste!“
„Hm, was willst du denn von mir?“
„Was ich von dir will? Ich möchte dir ein kleines Geheimnis anvertrauen. Aber ich weiß nicht recht - kann man dir vertrauen?“
„Na klar kannst du das. Das sieht man doch wohl, oder?“
„Na ja, ich muss zugeben, du hast ein ehrliches Gesicht, fast so, wie der olle Johannes, und der war wirklich eine ehrliche Haut. Hast du den vielleicht gekannt?“
„Den ollen Johannes? Nein, einen Johannes hab ich nie kennen gelernt. Hab ich
da etwas versäumt?“
„Ich glaube schon; denn der olle Johannes, der konnte immer so schöne Dönekes erzählen von der Schifffahrt und so. Du musst nämlich wissen, der olle Johannes war auch Matrose auf dem Flussdampfer, so wie du. Nur zu seiner Zeit da wurden die Kähne von den Schiffern noch mit Pferden die Lippe herauf gezogen. Und hier, in der Nähe des Hardtberges, hier haben sie meist Station gemacht, bevor sie ihre Kähne wieder vollgeladen haben. Und dann ist auch der olle Johannes immer in diese alte Kneipe gekommen, hat sich mit den anderen Schiffern unterhalten und dabei haben sie zusammen so viel Seemannsgarn gesponnen, dass sich die Balken bogen.“
„Und was hat das mit deinem Geheimnis zu tun?“
„Immer mit der Ruhe, das wirst du schon gleich erfahren. Also, eines Tages, als der olle Johannes wieder mal hier in der Kneipe war, da traf er seinen alten Kumpel, den Jan-Hinnerk. Der war - im Gegensatz zum ollen Johannes - eine ganz ruhige Natur. Du weißt schon, so einer, der kaum redet. Aber an dem Abend, da machte der einen nervösen Eindruck, so, als hätte er großen Kummer oder als wäre etwas schief gegangen.“
„Und, ist ihm was schief gegangen?“
„Nun warte doch mal ab. Ich komm schon drauf. Also, dem ollen Johannes fiel auf, dass dem Jan-Hinnerk eine Laus über die Leber gelaufen ist, und er fragte ihn so ganz direkt: „Was ist denn los mit dir? Hast du Kummer?“ „Na, ja“ sagte der, „mehr oder weniger schon. Aber ich weiß nicht, ob ich dir das erzählen kann.“ „Aber sicher doch“ sagte der olle Johannes, „sicher doch. Ich kann schweigen wie ein Grab.“
Und da erzählt der Jan-Hinnerk ihm, dass er vor fünf Jahren einen Schatz gefunden hat, den wohl die alten Römer vergraben haben. Er wisse ja, dass die Römer früher mal in dieser Gegend kampiert haben, bevor die Germanen sie in der großen Schlacht irgendwo am Teutoburger Wald geschlagen hatten. Er habe den Schatz gefunden irgendwo hier in der Nähe von Dorsten auf dem Weg zum Hardtberg. Lauter schöne Goldmünzen waren das, eingenäht in einen alten Lederbeutel, und weil er den nicht mitnehmen wollte aufs Schiff, habe er ihn gleich wieder vergraben, da oben auf dem Hardtberg. Er habe sich die Stelle genau gemerkt: vom dicken Birnbaum aus zwei Schritte nach rechts und dann drei Schritte geradeaus. Ja, und dann habe er den Schatz vergessen, einfach so. Und jetzt, als ihm das gute Gold wieder eingefallen sei, nach so vielen Jahren, da habe er sich vom Wirt einen Spaten geliehen und ist den Hardtberg herauf gestiegen, um den Schatz endlich wieder auszugraben. Doch so viel er auch suchen und graben würde, er fände das Versteck nicht wieder. Irgendjemand hätte in der Zwischenzeit den dicken Birnbaum abgeholzt, der ihm als Wegweiser diente.
Nach einer Weile habe er seine Suche aufgegeben, sei in die Kneipe zurück gekehrt, habe dem Wirt den Spaten zurück gegeben und versucht, seinen Frust in Bier zu ertränken, was man ja wohl auch verstehen könne.
„Also, das ist die Geschichte vom ollen Johannes, die ich dir erzählen wollte. Was hältst du davon?“
„Na ja, ganz spannend: Aber was soll daran so geheim bleiben?“
„Menschenskind, das ist doch wohl klar. Guck mal, dieser Jan-Hinnerk hat seinen Schatz nicht wieder gefunden, und der olle Johannes hat damals keinem etwas davon erzählt, weil er doch versprochen hat, zu schweigen wie ein Grab. Und erst auf seinem Totenbett, als die große Kiste schon neben ihm stand, hat er nur mir das Geheimnis anvertraut. Also muss der Schatz immer noch auf dem Hardtberg liegen. Und da hab ich mir gedacht, wo du doch hier aus der Gegend stammst und dich auf dem Hardtberg gut auskennst, da könntest du vielleicht mal zusammen mit mir nach den schönen alten Goldstücken suchen. Und wir machen dann Halbe-Halbe. Na, was hältst du davon?“
„Ja, wenn ich mir das so überlege, also, da würde ich schon mitmachen. Ich muss aber noch Fracht mit dem Dampfer transportieren. Dann komme ich wieder hierher und wir können gleich loslegen. Einverstanden?“
„Einverstanden. Aber du musst mir versprechen, niemandem unser Geheimnis zu verraten, denn sonst kommt uns noch jemand bei der Suche zuvor.“
„Also, von mir erfährt davon keine Menschenseele auch nur ein Sterbenswörtchen. Ehrenwort.“
„Also dann, bis zum nächsten Jahr.“
„Ahoi. Bis zum nächsten Jahr.“ (Brigitte Wiers)
Literatur:
Edelgard Moers (Hrsg): Dorstener Geschichten. Dorsten 2000. Seite 15 ff
Liste der Preisträger:
Gruppe der 17-20jährigen
1.Preis Michel Lee Flamme des Lebens
2.Preis Pauline Bartling Erbarmungslos
3. Preis Anja Greuel Hinter dem Lächeln
4.Preis Nicole Herner Unvorstellbar
4.Preis Philipp Hallbauer Poetry Slum
4.Preis Sophia Benning Zwanzig Dinge…
Gruppe der 13-16 Jährigen
1.Preis Anna Plümpe Loslassen
1.Preis Jette Tewes Sinn
2.Preis Edda Emilia Wasserbauer Berechenbar unberechenbar
2. Preis Isabel Paasch Maybe tomorrow
3.Preis A. Michelle Guski Stillstand
3.Preis Franca Beckmann Zufriedenheit
Gruppe der 8-12 Jährigen
1.Preis Lena Marie Micheel Grüne Zauberwelt
1.Preis David Minor Mein geheimnisvoller Ball
2.Preis Linda Bernsmann Die Kinder
3.Preis Sophie Minor Meine Verabschiedung
3.Preis Maximilian Hoppe Der Sommer
Sonderpreis
25 Schüler und Schülerinnen der Klasse 6a der Realschule
St. Ursula Dorsten
Schüler der 5. Klasse der Europa Schule Martin Luther in Herten
Sondergruppe Politisches Gedicht
1.Preis Daniel Gruber Die Würde
2.Preis Leandra Kuchenbäcker Unserer schönen Demokratie
3.Preis Max Venghaus Grau
4.Preis Sabeth Maria Dugdale 10 Sekunden der Welt
Sonderpreis englisches Gedicht
1.Preis Junis Bauer In the forest