Die Sage vom Priester Wulfhem

 

 

 

Laut offizieller Geschichtsschreibung ist die Gemeinde Wulfen im Norden Dorstens als eine Stiftung des Ministerialgeschlechts Wulfhem im 12. Jahrhundert entstanden und es soll auch nach dem Coesfelder Urkundenbuch im 14. Jahrhundert in Wulfen einen Priester von Wulfhem gegeben haben, aber die Sage erzählt uns schon von einem Priester Wulfhem, wie dieser im 9. Jahrhundert durch Gastfreundschaft zum Bischof wurde.

 

Vor langer Zeit, als Ludwig Kaiser war, war dieser auf einer Jagd, wobei er sich hoffnungslos verirrte. Gegen Abend sah er endlich menschliche Behausungen und klopfte gleich beim ersten Haus an, wo ein Geistlicher mit Name Wulfhem wohnte. Der nahm ihn freundlich auf, ohne zu wissen, dass der Kaiser von Deutschland vor ihm stand, und teilte mit ihm sein karges Essen, denn der Priester war bettelarm. Für die Nacht nahm er noch Stroh von seinem eigenen Bett und richtete so für den Gast eine eigene Schlafstelle her, damit sich der Fremde auch gut ausruhen konnte. Am nächsten Morgen verabschiedete sich der Kaiser, allerdings ohne sich erkennen zu geben, bedankte sich und fragte, ob er dem gastfreundlichen Priester etwas Gutes tun könnte. Wulfhem wies dies weit von sich, denn er hätte ja nur seine Christenpflicht getan. „Wenn du aber bei deiner Jagd einen Hirschen erlegen solltest“ fuhr er fort, „dann kannst du mir einen Riemen aus dem Leder des Tieres schicken, mit dem ich meinen Priesterrock schnüren kann und ich so ein Andenken an deinen Besuch habe.“

 

Der Kaiser ritt fort. Es verging einige Zeit und Wulfhem trug weiter seine alte Hanfschnur um sein Kleid. Er hatte den fremden Jäger schon fast wieder vergessen,  als eines Tages ein kaiserlicher Herold zu ihm kam und ihn über seinen damaligen Besucher aufklärte: „Guter Mann, du hast nicht irgendeinem Jäger Gastfreundschaft gewährt, sondern dem Kaiser selbst. Als kleinen Dank hattest du dir einen Lederriemen erbeten. Diesen soll ich dir hiermit übergeben.“ Aber der Gürtel, den der Herold Wulfhem gab, war nicht aus Leder, sondern aus purem Gold. „Das ist aber noch nicht alles.“ sagte der Bote und nahm eine Urkunde aus der Satteltasche, die mit dem kaiserlichen Siegel versehen war, brach das Siegel und las laut und deutlich vor, da dass alle Umstehenden es hörten: „Hiermit ernennen wir, Ludwig, Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nationen, den Priester Wulfhem zum Bischof von Münster.“

 

So war Wulfhem bis zu seinem seligen Ende Bischof von Münster und tat, wie er es gewohnt war, vor allem den armen Leuten viel Gutes. Da er dies aber nicht laut in der Öffentlichkeit tat, sondern still und leise, wie es seine Art war, war er für Geschichtsschreiber uninteressant und wird in ihren Büchern nirgendwo großartig erwähnt. Aber besonders die kleinen Leute kennen Sagen und erzählen diese auch weiter, und so ist wenigstens in der Sage der Priester Wulfhem, der den Kaiser beherbergt hatte, uns nicht verloren gegangen. (Peter Bertram)

 

Literatur:

 

Edelgard Moers (Hrsg): Dorstener Geschichten. Dorsten 2000. Seite 47 ff