Eine Hochzeit ohne Musikant

 

 

Ein Musikant wurde zu einer Hochzeit nach Lippramsdorf geladen. Auf seinem

 

Weg dorthin musste er Wulfen durchqueren. Er hatte schon viel über die wilden

 

Wölfe, die dort hausen sollten, gehört. Doch er glaubte diesen Geschichten nicht

 

und so ging er, obwohl es schon dämmerte, mutig in den Wald Wulfens hinein. Er

 

war von der langen Reise müde und hungrig und so suchte er nach ein paar Beeren.

 

Aber die Sträucher waren leer. Als er die Suche schon aufgeben wollte, sah

 

er einige Beeren an einer Lichtung auf dem Waldboden liegen. Er lief schnell zu

 

der Stelle und wollte die Beeren greifen, doch plötzlich fiel er in eine Grube. Der

 

Musikant rief um Hilfe, doch niemand hörte ihn. Nach einer Weile, die Sonne war

 

schon untergegangen, kam ihm die Idee, noch ein wenig für seinen Auftritt am

 

nächsten Tag zu üben. Er holte seine Geige hervor, spielte und sang aus Leibeskräften

 

dazu. Es dauerte nicht lange, da versammelte sich ein ganzes Rudel Wölfe

 

um die Grube und jaulte ihn zähnefletschend und hungrig an.

 

Vor lauter Angst sang er immer lauter und kräftiger. Der Gesang dröhnte bis zu

 

einem Bauernhof, der in der Nähe lag und holte den Bauern aus seinen schönsten

 

Träumen. Die Musik drang ihm durch Mark und Bein und so lief er schnell zu der

 

Grube und verscheuchte die Wölfe mit seinem Gewehr und bat den Musikanten,

 

mit dem Gejammer aufzuhören. Nachdem der Bauer den Musikanten aus der

 

Grube befreit und dieser ihm sein Ziel beschrieben hatte, erklärte ihm der Bauer

 

eine Abkürzung nach Lippramsdorf, damit er noch rechtzeitig zur Hochzeit

 

kommen konnte. Zufrieden legte er sich wieder schlafen. Vorher schaute er aber

 

noch einmal auf das Foto seiner Tochter, die am nächsten Tag heiraten sollte.

Warum der Musikant die Feier nie erreichte, weiß nur der Brautvater. (Angela

 

Polotzek)

 

 

 

Literatur:

 

Edelgard Moers (Hrsg): Dorstener Geschichten. Dorsten 2000. Seite 52 ff