Von Mond und Meer

 

 

Ein regnerischer Morgen; dort

seh’ ich den Mond am Dachfirst stehen.

Beinahe voll,

doch weiß ich wohl:

Dreh’ ich mich um, dann ist er fort.

Er muss tagsüber untergehen

 

und kippt bereits zur Seite hin.

Matt konturiert mit müdem Blick

neigt er den Rumpf,

leicht abgestumpft.

Ob er sich nach der Wolke sehnt,

die ihn zum Schlaf zudeckt?

 

Ich sehe ihm Erschöpfung an,

verzehrt von nächtlich’ Abenteuer.

Blasser Schimmer

von Liebeskummer?

Schleierhaft endet die Bahn.

Du fragst, was das bedeutet?

 

Ich will´s erläutern:

 

II.

An endlosen Seilen, unzähligen Zügen,

die allesamt sind fest vertäut

mit sieben Rockzipfeln,

den Wellengipfeln,

so lenkt er die Siebenmeer, keine Lüge.

Eine wahrhaft unfassbare Braut:

 

Hinreißend umspült sie Erde,

unendlich reich an Farben und Kraft!

Wild, ungebändigt

und er hofft inständig,

dass sie sein Weib in Ewigkeit werde;

wie oft hat sie ihn verlacht.

 

Die sieben Röcke durch Seilzug zu glätten,

wo sie immerzu in Bewegung sein will

ist freilich Arbeit.

Doch er ist bereit,

die Biesen und Schößchen stets neu zu verketten.

Madame Siebenmeer ist sein Ziel,

 

beteuert er still.

 

III.

Ihre Beziehung, geprägt von Distanz,

macht ihm zugegeben zu Schaffen, so nimmt

er mal zu, mal ab -

immer auf Trab

und sehnt sich nach diesem einen Tanz,

der sie zueinander bringt.

 

Betörend sind die seltenen Stunden,

da sie des Nachts geheimnisvoll, dunkel

und spiegelglatt ruht,

das tut ihm gut.

Sein Antlitz glitzert dann auf ihr dort unten,

wenn sie gemeinsam die Erde umrunden.

 

Mal sprudelnd, mal murmelnd zerfließt sie vor ihm,

erzählt von Schätzen und Sagen.

Spuckt neckisch ihm Gischt

ins erstaunte Gesicht,

als er verträumt versäumt weiter zu ziehen.

Dramatische Folgen soll’s haben,

 

kann man wohl sagen!

 

 

IV.

Ihre Verbindung sei nicht unterschätzt:

Endlos sind Seile und Züge verknüpft;

das heißt, wenn er stockt

verhakt sich ihr Rock.

Ebbe und Flut sind in Aufruhr versetzt:

Gezeiten vollends der Spur enthüpft!

 

Wolkenverhangen tobt sie  dann blind. Er

wartet wohl wissend, die Ruhe zu wahren

und steigt nicht hinab,

das wäre sein Grab!

Schon bald zeigt sich Madame Siebenmeer

entspannt, fragt, wo sie grad waren.

 

Als Mond sieht er weit über die Welt hinaus,

kann von der Milchstraße Neues erzählen;

das lässt sie Seemeilen

in Spannung verweilen.

Ihr tosender Wellenschlag ist sein Applaus,

als regnend der Vorhang  fällt.

 

Jetzt schläft er, gelt?